Trauma nach Kaiserschnitt – was ist das eigentlich? Und wie ich erkannte, dass es auch mich betraf.
- Anna Witzler
- 11. Juni
- 4 Min. Lesezeit

Was ist Geburtstrauma? Und woher weiß ich, ob ich davon betroffen bin?Viele Frauen wissen gar nicht, dass ihre Erschöpfung, ihre emotionale Taubheit oder ihr ständiger Selbstzweifel nach der Geburt mit einem unausgesprochenen Trauma zu tun haben könnten – besonders nach einem Kaiserschnitt.
Ich war eine von ihnen.
Geburtstrauma: medizinische Sicht
Geburtstrauma bezeichnet seelische und/oder körperliche Verletzungen, die rund um eine Geburt entstehen. Es geht nicht nur um Notfallsituationen – sondern um das innere Erleben:
War ich sicher?
Wurde ich gehört?
Konnte ich mitentscheiden?
Wurde mein Körper respektiert?
Ein Trauma entsteht dann, wenn die Erfahrung so überwältigend ist, dass unser System sie nicht integrieren kann. Studien zeigen, dass etwa 3–6 % aller Frauen nach der Geburt eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) entwickeln – Tendenz steigend.
Die oft genannten 3–6 % beziehen sich jedoch auf Frauen, die eine formelle Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) nach der Geburt erhalten haben. Doch diese Zahl zeigt nur einen kleinen Teil des Ganzen.
Studien zeigen, dass:
Rund 10–20 % aller Frauen deutliche traumaähnliche Symptome nach der Geburt haben – auch ohne formelle Diagnose.
Bis zu 30–50 % empfinden ihre Geburt als emotional belastend oder subjektiv traumatisch.
Besonders betroffen sind Frauen nach einem ungeplanten oder Not-Kaiserschnitt, bei denen oft das Gefühl von Kontrollverlust, Angst oder Hilflosigkeit mitschwingt.
Mögliche Symptome:
Wiederkehrende Gedanken oder Bilder an die Geburt
Vermeidung (z. B. über das Thema sprechen, Orte, Bilder)
Schuldgefühle, das Gefühl „versagt“ zu haben
Körperliche Distanz (z. B. zur Narbe, zum Baby)
Schlafprobleme, Nervosität, Übererregung
Fazit: Geburtstrauma ist weit verbreiteter, als es die offiziellen Zahlen vermuten lassen. Es betrifft nicht nur „Ausnahmefälle“, sondern viele Frauen – oft auch dann, wenn die Geburt von außen betrachtet „gut verlaufen“ ist.
Und genau deshalb braucht es Räume, in denen diese Gefühle anerkannt, gesehen und geheilt werden können.
Trauma zeigt sich oft nicht laut – sondern leise. Und oft erst viel später.
Meine persönliche Erfahrung: „Ich dachte, es sei vorbei.“
Ich hatte nicht das Gefühl, traumatisiert zu sein. Der Kaiserschnitt war heftig, ja – aber ich hatte eine wunderbare Schwangerschaft, ein heilsames Wochenbett, und ein gesundes Kind in meinen Armen.
Ich dachte: „Es war schlimm, aber es ist vorbei. Ich habe Glück gehabt.“
Darum habe ich auch nie richtig hingesehen.
Nie nachgefühlt, was wirklich in mir geblieben war.
Und irgendwann kam es dann… einfach so, wie aus dem Nichts – und hat mich eingeholt.
Ich war damals mitten in einer Ausbildung zur Hypnosebegleiterin bei Geburt. Wir lernten die Methode kennen, wie man Geburtsprozesse in Hypnose neu verankern kann – nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch.
Eine Übung lautete: Schreibe deine eigene Geburtserfahrung um – und spüre, wie sich das emotional verändert.
Ich dachte, ich brauche das nicht. Ich hatte ja nichts Schlimmes empfunden.
Aber diese Hypnose hat mir etwas gezeigt, das ich selbst nicht mehr gespürt hatte:
Wie verletzt ich wirklich war.
Wie enttäuscht.
Wie unverbunden.
Wie sehr ich meine Gefühle verdrängt hatte, weil ja „alles gut ausgegangen war“.
In der Hypnose durfte ich einen Punkt verändern: den Anfang.
Ich tauschte das unpersönliche Krankenhauspersonal aus – gegen meine Herzenshebamme Mirjam. Auch wenn ich wusste, dass sie niemals wieder einen Fuß in ein Krankenhaus setzen würde, war sie da. Für mich.
In meiner Vorstellung kam sie mit offenen Armen. Sie freute sich mit mir. „Anna, wow – dein Baby kommt heute? Wie schön, dass du da bist!“ Ich spürte Halt. Liebe. Sanftheit. Sie berührte mich achtsam. Sie sah mich.
Und sie sagte mir:
„Dein Körper ist gerade noch nicht bereit für die Geburt. Du brauchst Ruhe. Kraft. Vertrauen.“
Ich weinte in dieser Hypnose. Nicht weil mir etwas Schlimmes passierte – sondern weil ich zum ersten Mal fühlte, was mir damals gefehlt hatte:
Gesehen zu werden.
Mir wurde Raum gegeben, traurig zu sein, enttäuscht zu sein, erschöpft zu sein.
Und dieser Raum war heilsam.
Wie die Hypnose weiterging, weiß ich kaum noch. Aber ich weiß, dass ich am Ende eine selbstbestimmte Geburt erleben durfte – in meiner inneren Welt.
Kraftvoll, klar, verbunden.
Ein Gefühl, das ich nie vergessen werde.
Seitdem habe ich diese Technik mit vielen Frauen angewandt. Und jedes Mal berührt es mich tief, was durch diesen Prozess sichtbar und heilbar wird. Keine Geburt lässt sich ungeschehen machen – aber sie lässt sich neu erleben. Und manchmal reicht genau das, um Frieden zu finden.
Warum das auch dich betreffen kann
Vielleicht war auch deine Geburt „offiziell erfolgreich“, aber innerlich hat sich etwas verschlossen.
Vielleicht trägst du einen leisen Schmerz in dir, den du nie eingeordnet hast.
Vielleicht fragst du dich manchmal, warum du dich nicht so stark, verbunden oder sicher fühlst, wie du es dir wünschst.
Dann könnte das, was du fühlst, ein ungesehenes Geburtstrauma sein.
Und du darfst es anschauen. Sanft. In deinem Tempo.
Fazit: Du darfst heilen. Und neu gebären.
Geburtstrauma bedeutet nicht, dass du schwach bist – sondern dass du tief fühlst.
Es bedeutet, dass du eine Erfahrung gemacht hast, die zu groß war, um sie sofort zu verarbeiten.
Und du darfst ihr heute Raum geben.
Du darfst sie neu erzählen.
Du darfst heilen.
Wenn du spürst, dass deine Geschichte noch nicht abgeschlossen ist – ich begleite dich gern auf deinem Weg.
💌 Schreib mir, wenn du darüber sprechen möchtest.
Deine nächste Geburt kann anders sein.
Quellen & Studien:
Beck, C. T. (2004): Post-traumatic stress disorder due to childbirth: The aftermath.
Ayers, S. (2007): PTSD following childbirth.
WHO / NICE guidelines zu mentaler Gesundheit nach der Geburt
Hypnobirthing & psychotherapeutische Begleitung (Petzold, 2019)
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